Die AfD und der menschengemachte Klimawandel

„Klimawandel gab es zu allen Zeiten. Er ist ein komplexes Phänomen, verursacht durch eine Vielzahl von Faktoren. Die Frage nach dem Anteil des Menschen an diesem ist wissenschaftlich ungeklärt. Darauf lässt sich keine tausende Milliarden Euro kostende sogenannte Energiewende aufbauen.“
Genau mit diesen anscheinend seriösen, wissenschaftlich untermauerten Sätzen leitet die AfD in ihrem Bundesprogramm den mehrseitigen Abschnitt zum Thema Klima ein.
In der Tat, Klimawandel gab es zu allen Zeiten. In der Kreidezeit vor 100 Mio Jahren war die globale Durchschnittstemperatur 8,5 °C höher und der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre doppelt so hoch wie heute. Gleichzeitig lag der CO2-Gehalt bei bis zu 2000 ppm (heute ca. 420 ppm). Wer einmal die Gelegenheit hat, an einer Führung durch die Braunkohletagebaue zwischen Köln und Aachen teilzunehmen, wird dort perfekt erhaltene Palmwedel finden, die 2-5 Mio Jahre alt sind. Selbst in dieser erdgeschichtlich sehr jungen Vergangenheit war es hier in unserer Region deutlich wärmer als heute. In geologischen Zeiträumen betrachtet leben wir nach wie vor in einer abklingenden Eiszeit bzw. einer Zwischeneiszeit. Vor 8-10.000 Jahren konnte man über das sogenannte Doggerland zu Fuß von Dänemark nach England gehen. Die Tatsache, dass unser Klima einer permanenten Änderung unterliegt, ist in den Naturwissenschaften eine seit Jahrzehnten wohlbekannte Tatsache und überhaupt keine Neuigkeit, wie es die Aussage der AfD suggeriert.
Mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der AfD hört es dann aber auch unmittelbar auf. Im völligen Gegensatz zu der Aussage der AfD ist der Anteil des Menschen an der seit Jahrzehnten zu beobachtenden Klimaerwärmung sehr wohl nachgewiesen und auch abschließend geklärt. Wir alle haben entsprechende Diagramme schon gesehen, in denen der globale Temperaturanstieg und die Zunahme des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre durch massive, globale Verbrennungsprozesse parallel laufen und zwar mit extrem hoher Korrelation. Ein solch einfaches XY-Diagramm, wie man es bereits in der Mittelstufe lernt, scheint die AfD zumindest ideologisch zu überfordern. Eine exzellente wissenschaftliche Publikation in dem Top-Wissenschaftsjournal „Science“ aus 2024 belegt darüber hinaus, dass in den letzten 485 Mio Jahren Erdgeschichte CO2 der mit Abstand wichtigste, wenn nicht einzige Treiber für die Klimaerwärmung war und ist. Auch die von der AfD behauptete Vielzahl von Faktoren (s.o.) ist somit schlichtweg falsch.
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adk3705
„Im Gegenteil erweist sich CO₂ als Treiber eines verstärkten globalen Pflanzenwachstums und begünstigt damit die Welternährung.“ Diese Aussage lässt sich eigentlich nur noch mit der völlig unwissenschaftlichen Bewertung „kompletter Schwachsinn“ beschreiben. Hier wird CO2 in völliger Verdrehung der Tatsachen gar als Klimaretter dargestellt, dessen Ausstoß man am besten noch ordentlich steigert. Wie blödsinnig diese Aussage der AfD ist, lässt sich mit einem Blick in die nähere Umgebung leicht selbst feststellen. 80% aller Nadelbäume sind in Wermelskirchen innerhalb von 2 Jahren aufgrund der extremen, in diesem Ausmaß nie dagewesenen Trockenheit und Hitze mit nachfolgendem Borkenkäferbefall zum Opfer gefallen. Und nein, Pflanzen nehmen auch nicht einfach mehr CO2 aus der Luft aus, wenn mehr davon vorhanden ist. Das CO2 führt zur globalen Erwärmung mit der Folge, dass die über Jahrtausende an die jeweiligen Standorte angepassten Pflanzen bei Erreichen der Temperatur Toleranzgrenze ihre Stomata (Poren auf der Blattunterseite) nicht mehr öffnen. Die Pflanze nimmt dann überhaupt kein CO2 mehr auf. Auch diese einfache, seit vielen Jahrzehnten bekannte, botanische Tatsache wird von der AfD ignoriert, weil sie nicht in das verquere Klimaweltbild passt.
Eine vordergründig berechtigte Frage ist natürlich, wenn es schon immer Klimawandel gab, warum dann die ganze Aufregung und die Rieseninvestitionen in Energiewende, Wärmewende, Mobilitätswende, usw.? Gerade bei dieser entscheidenden Frage schaltet die AfD allerdings komplett ab. War es für die Jäger der Jungsteinzeit, denen ihr Jagdrevier Doggerland vor 8000 Jahren überflutet wurde, eher ein lästiges Ärgernis, werden Klimaveränderungen in unserer heutigen Zeit mit ihren mehr als 8 Mrd. Menschen umgehend zu einer Existenzkrise. Die mit vernünftigem Aufwand bewirtschaftbaren Ackerflächen sind auf unserem Planeten ausgeschöpft. In vielen Ländern, die besonders von Dürren betroffen sind, schrumpft die Anbaufläche sogar dramatisch. Seit Jahrtausenden einheimische Bäume und Nutzpflanzen können sich im Gegensatz zu den Aussagen der AfD eben gerade nicht an den weniger als 100 Jahre andauernden, drastischen Klimawandel anpassen. Gleichzeitig steigt der Meeresspiegel durch die schmelzenden Polkappen, weitaus mehr aber noch durch simple thermische Ausdehnung des Wassers in den Ozeanen. Niedrig liegende Länder verlieren ihre fruchtbaren küstennahen Marschlandflächen durch Versalzung und Überschwemmung. Zusätzlich steigt durch die höheren Temperaturen der globale Wasserbedarf bei gleichzeitig sinkenden Süßwasser Ressourcen. Es müssen immer größere Energiemengen aufgewendet werden, um die Effekte einer globalen Erwärmung abzumildern. All das wird von der AfD weitgehend geleugnet oder in Frage gestellt. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert. Und das über Seiten hinweg im AfD Programm.
Der globale Klimawandel, den wir Menschen mit einer ungehemmten auf Verbrennung basierenden Industrialisierung maßgeblich mit verursacht haben, wird zu nie dagewesenen Klimaflüchtlingsströmen führen. Die haarsträubende Klimapolitik der AfD führt am Ende genau zum Gegenteil des wichtigsten Existenzgrundes der AfD: Verhinderung von Zuwanderung nach Deutschland.
Und warum das ganze wissenschaftsleugnende Klimageschwurbel der AfD? Hier will eine neoliberale, Lobbyisten-Partei mit aller Macht einer energieintensiven, klimaschädlichen Großindustrie auch in Zukunft uneingeschränkt Milliardengewinne sichern. Bemerkenswerterweise sind aber fast alle betroffenen Industriezweige wie die Auto-, Stahl- und chemische Industrie klimafreundlichen Veränderungen weitaus aufgeschlossener als die Ideologen und Pseudowissenschaftler der AfD. Selbst der Hinweis der AfD auf den Erhalt von klassischen Industriearbeitsplätzen stimmt nicht. Innovationen – und dazu gehören insbesondere auch nachhaltige und energiesparende Technologien – haben am Ende immer mehr Arbeitsplätze geschaffen als durch den Niedergang veralteter Industrien verloren gegangen sind.
Jeder Wähler sollte sich in der Tat genau überlegen, ob er wirklich eine Partei wählen will, die Ideologie über gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis stellt und der Milliarden Gewinne veränderungsunwilliger globaler Konzerne wie der Mineralölindustrie wichtiger sind, als eine auch in Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder lebenswerte Umwelt.
Prof. Dr. Jürgen Scherkenbeck
Noch ein kurzer Hinweis: Eine wissenschaftlich korrekte und ideologiefreie Einführung in die nicht immer ganz einfach Thematik „Klimawandel“ finden sich in den beiden aufgeführten Streams.
https://www.youtube.com/watch?v=oJ1zm65u-ck
https://www.zdf.de/video/shows/mai-think-x-die-show-102/xperts-klimapolitik-100
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